Spurlos Verschwunden, Damnatio memoriae, Vernichtung des Andenkens

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Damnatio memoriae (lateinisch für „Verdammung des Andenkens“) bedeutet die Verfluchung und Tilgung des Andenkens an eine Person durch die Nachwelt. Der Begriff bezieht sich vor allem auf Handlungen im Römischen Reich, ist selbst aber eine moderne Neuschöpfung.

Die Namen besonders verachteter und verhasster Personen wurden aus sämtlichen Annalen getilgt, alle erreichbaren Bildnisse und Inschriften wurden zerstört, und in der Zukunft wurde es tunlichst vermieden, den Verurteilten öffentlich zu erwähnen – wobei die Nennung seines Namens nie unter Strafe stand.

Die moderne Forschung schätzt den Sinn der damnatio memoriae vor allem in Rom dabei heute meist anders ein als früher: Die Maßnahmen sollten demnach keineswegs wirklich zu einem Vergessen des Betroffenen führen, vielmehr wurde die Erinnerung an ihn durch die Verfluchung seines Namens bewusst wachgehalten – nicht zufällig kennt man fast jeden, der in Rom der damnatio verfiel, mit Namen. Oft lässt sich sogar zeigen, dass die Tilgung von Namen und Bildern der Betroffenen absichtlich unvollkommen blieb: Es sollte erkennbar bleiben, dass etwas entfernt wurde. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer „Erinnerung an das Vergessen“.

In Griechenland versuchte Herostratos seinen Namen unsterblich werden zu lassen, indem er eines der sieben Weltwunder, den Tempel der Artemis in Ephesos, anzündete und damit völlig zerstörte. Als Vergeltung wurde ihm vor seiner Hinrichtung gesagt, dass sein Name für alle Zeit nie mehr ausgesprochen werden würde und damit seine Tat sinnlos gewesen sei. In Ephesos selbst war es fortan bei Todesstrafe verboten, den Namen zu nennen. Nur durch die Erwähnung des Historikers Theopompos blieb er der Nachwelt erhalten.

Der Name Herostrat (Herostratos) wurde somit auch zum Synonym für einen Menschen, der aus Geltungssucht Kulturgüter zerstört oder andere Taten zu diesem Zweck begeht. Als Herostrat wird dementsprechend ein Mensch bezeichnet, der Untaten begeht, allein um berühmt zu werden.

Der römische Senat ließ auf diese Weise unter anderem die Kaiser Caligula, Nero, Domitian, Commodus, Geta sowie Elagabal und Maximinus Thrax bestrafen (Caligula laut Cassius Dio nur de facto, da Kaiser Claudius eine regelrechte damnatio seines Neffen verhinderte).

Die Bildnisse der betroffenen Kaiser (Statuen, Büsten, Hermen, Münzen etc.) wurden oft zerstört oder beschädigt, mitunter aber auch eingezogen und in Bildnisse anderer Persönlichkeiten umgearbeitet. Spuren der Umarbeitungen lassen sich noch heute an den Statuen finden. Auffälliges Merkmal für eine solche Umarbeitung ist zum Beispiel ein proportional zu kleiner Kopf für den Körper, mit auffallend großen oder abstehenden Ohren. An den Bildnissen des Kaisers Nero sind im Nacken der umgearbeiteten Porträts noch Spuren der Locken zu sehen, da sich Nero selbst als großer Künstler gab und sich dementsprechend mit langem Haar in der Tracht der Künstler abbilden ließ. In Inschriften wurde der Name des betreffenden Kaisers getilgt.

Verfahren nachträglicher Ächtung finden sich bis in die Gegenwart. Sie werden mitunter ebenfalls als damnatio memoriae oder damnatio in memoria bezeichnet, wobei es im Zeitalter der modernen Propaganda aber oft tatsächlich darum ging, unliebsame Personen und Ereignisse aus der Erinnerung zu tilgen (wobei der Erfolg nicht überprüft werden kann). Im großen Rahmen wurden insbesondere unter Stalin Fotografien und Gemälde nachträglich verändert, um Menschen, mit denen der Diktator zwischenzeitlich nicht mehr abgebildet werden sollte, aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen. Vielfach handelte es sich dabei um Personen, die den Stalinschen Säuberungen zum Opfer fielen oder wie Leo Trotzki in deutlicher Opposition zu Stalin standen.

Doch auch Stalin selbst war im Rahmen der Entstalinisierung von einer damnatio memoriae betroffen: Beispielhaft ist die Geschichte des Gemäldes des Malers Wladimir Alexandrowitsch Serow aus dem Jahre 1947, das mit dem Stalinpreis ausgezeichnet wurde: Das Werk Lenin proklamiert die Sowjetmacht zeigte Stalin im Gefolge Lenins. Zehn Jahre später veränderte Serow das Werk nach den neuen offiziellen Richtlinien, indem er Stalin durch eine andere Person ersetzte. Im Rahmen der Entstalinisierung kam es zudem zur Um, - bzw. Rückbenennung von topografischen Objekten, so auch bei Stalinstadt.

Im Sport der DDR wurden mehrfach aus der DDR geflüchtete Sportler (zum Beispiel Jürgen May) aus den Besten- und Rekordlisten gestrichen, um sie so aus dem Gedächtnis zu tilgen.

Im Dezember 2013 ließ Kim Jong-un in Nordkorea seinen entmachteten und hingerichteten Onkel Jang Song-thaek aus offiziellen Medienberichten entfernen.

Literarische Umsetzung findet die Thematik etwa in George Orwells Roman 1984, in dem sogenannte Unpersonen nach ihrer Ermordung rückwirkend aus Zeitungen und anderen Medien entfernt („vaporisiert“) werden.




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